Alles auf die Karte Challenger Sales zu setzen kann riskant sein
Fokus
Warum es im modernen Vertrieb riskant sein kann, alles auf die Karte Challenger Sales zu setzen: Seit der Veröffentlichung von The Challenger Sale durch Matthew Dixon und Brent Adamson im Jahr 2011 gilt das Modell des „Challenger Sales“ vielen als eine Art Heilsbringer im B2B-Vertrieb. Viele Vertriebsorganisationen haben den Ansatz begeistert übernommen. Schließlich verspricht er, komplexe Verkaufsprozesse durch eine provokante, lehrreiche und herausfordernde Gesprächsführung zu dominieren. Doch wie bei jeder Methode sollte man auch die Schwächen abwägen, denn oft – so auch hier – birgt die Fokussierung auf nur einen Ansatz Risiken.
In unserem heutigen Artikel werfe ich für dich einen kritischen Blick auf das Modell und zeige auf, warum es so gefährlich sein kann, alles auf diese Karte zu setzen und warum m.E. ein balancierter, kontextsensitiver Vertriebsansatz heute deutlich erfolgversprechender ist. Meine Argumentation stützt sich dabei natürlich auch auf über 30 Jahre persönliche Erfahrungim – auch internationalen – Vertrieb, in denen ich unterschiedliche Methoden praktisch erlebt, kombiniert und erfolgreich eingesetzt habe.
Risiko 1: Nicht jeder Kunde ist ein Challenger Sales Kunde
Einer meiner zentralen Kritikpunkte ist die Annahme der Challenger Methode, dass alle Kunden von Konfrontation profitieren. In der Realität gibt es jedoch unterschiedliche Persönlichkeitstypen, Unternehmenskulturen und Entscheidungsgremien.
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Konservative Kunden fühlen sich durch provokante Thesen wohl eher angegriffen als inspiriert.
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Stark hierarchische Organisationen akzeptieren es wohl kaum, wenn externe Verkäufer versuchen, ihre Entscheidungslogik in Frage zu stellen.
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Langfristige Partnerschaften können durch zu viel Reibung belastet werden. Vertrauensverzicht ist ein no-go.
Anders gesagt: Was bei einem innovativen Tech-Startup funktioniert, kann bei einem etablierten Industriekonzern zu einer Blockade führen. Es sollte die Rolle des Verkäufers sein flexibel auf Kunden einzugehen.
Risiko 2: Übersehen der Beziehungsdimension
Dixon und Adamson ordnen den „Relationship Builder“ als schwächsten Typ ein. Heute zeigen zahlreiche Studien und Praxiserfahrungen aber auf, dass Vertrauen und Beziehung nach wie vor Kernfaktoren im Vertrieb sind. Meiner Auffassung nach sogar mehr und mehr.
Gerade in Branchen, in denen große Investitionen, langfristige Verträge oder sensible Daten eine Rolle spielen, reicht es oft nicht, nur herausfordernd aufzutreten. Denn ohne Vertrauen wird selbst die beste Challenger-Argumentation ins Leere laufen.
In meiner eigenen Laufbahn habe ich immer wieder gesehen: Selbst die beste Argumentationsstrategie verliert an Wirkung, wenn das persönliche Fundament wackelig ist. Kunden kaufen eben nicht nur Lösungen, sie kaufen auch die Menschen dahinter, oder zumindest das, was ihnen ein gutes Gefühl verschafft.
Risiko 3: Kulturelle Unterschiede – internationaler Vertrieb
Der Challenger-Ansatz ist stark in einer angloamerikanischen Vertriebskultur verwurzelt. International ist das keineswegs selbstverständlich und daher sorgfältig auf Passung abzuwägen:
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In asiatischen Märkten wird Harmonie höher bewertet als Konfrontation.
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In südeuropäischen Kulturen spielt persönliche Nähe eine größere Rolle als intellektuelle Provokation.
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In deutschsprachigen Märkten erwarten Kunden faktenbasierte Argumentation. Ein zu aggressives Challenging wirkt schnell überheblich.
Gerade im internationalen Geschäft habe ich über Jahrzehnte (teilweise schmerzhaft) gelernt, wie wichtig Fingerspitzengefühl ist: Ein Ansatz, der in London Begeisterung auslöst, kann in Tokio oder München zu Irritation führen.

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Risiko 4: Komplexität moderner Buying-Center
Im modernen B2B-Vertrieb gibt es selten den „einen Entscheider“. Kaufentscheidungen entstehen im Zusammenspiel von 5 bis 10 Stakeholdern mit teils sehr unterschiedlichen Prioritäten.
Ein Challenger-Ansatz kann bei einem innovationsgetriebenen Stakeholder punkten, andere – etwa den CFO – jedoch verprellen. Wer nicht flexibel zwischen Rollen und Kommunikationsstilen wechseln kann, scheitert wahrscheinlich an der internen Heterogenität des Kunden.
Hier zahlt sich Erfahrung besonders aus: Zu erkennen, wen man wie challengen darf und wo es eher um Beziehungspflege geht, ist oft entscheidend für den Abschluss.
Risiko 5: Überschätzung der Methode
Challenger Sales ist kein Allheilmittel. Der Erfolg hängt davon ab, ob:
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genügend Branchenexpertise vorhanden ist (ist hier Bedingung!),
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die Verkäufer rhetorische und psychologische Sensibilität haben,
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das Management konsequent coacht und begleitet.
Ohne diese Voraussetzungen führt Challenger Sales nicht zum gewünschten Effekt, sondern verstärkt Unsicherheiten im Team und Irritation beim Kunden.
Risiko 6: Wandel im Kaufverhalten
Nach meiner Auffassung das größte Risiko das Challenger aktuell mitbringt: Kunden informieren sich heute stark selbst. Laut Gartner sind B2B-Käufer bereits zu 57 % durch ihren Entscheidungsprozess, bevor sie mit einem Verkäufer sprechen.
In diesem Kontext wirkt ein aggressives Challenging oft wie ein verspätetes „Belehren“. Viele Kunden gehen einen großen Teil der Journey ohne Vertriebskontakt. Ab einem gewissen Punkt ist der Challenger Ansatz dann inadäquat. Stattdessen wünschen sich viele Kunden einen Partner auf Augenhöhe, der ihre Vorarbeit respektiert und ergänzt.
Risiko 7: Gefahr der Standardisierung
Wenn Challenger, dann bitte richtig und konsequent. In der Praxis allerdings, wird Challenger Sales oft zu einem Skript reduziert. Viele haben irgendwann das Buch gelesen und denken dann „das wars“. Verkäufer wirken dann künstlich herausfordernd, statt authentisch.
Kunden merken wie wir wissen sofort, wenn sie „bespielt“ werden. Authentizität und situative Anpassungsfähigkeit – entscheidend im modernen Vertrieb – gehen verloren. Und der Deal dann wohl auch.

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Risiko 8: Fehlende Verzahnung zwischen Marketing und Sales
Challenger funktioniert nur dann, wenn Marketing und Vertrieb sehr eng verzahnt sind. Verkäufer brauchen z.B. kontinuierlich frische Insights, Daten und Inhalte, um wirklich glaubwürdig herauszufordern.
Nach meiner Erfahrung scheitern viele Unternehmen daran, weil Marketing und Sales noch immer in Silos arbeiten. Verkäufer wollen challengen, haben aber keine Substanz. Kunden spüren das sofort.
Challenger Sales ist also eigentlich kein reiner Sales-Ansatz, sondern ein organisationsweites Commitment. Das führt uns zum nächsten Punkt:
Risiko 9: Fehlende Qualifikation der Führungsebene
Häufig liegt das Problem nicht bei den Verkäufern, sondern beim Management. Führungskräften fehlt oft die fachliche Tiefe, um Challenger Sales richtig zu moderieren. Orgas sind dafür nicht aufgestellt.
Statt z.B. strategisch zu coachen, wird das Modell oberflächlich als „provokant auftreten“ interpretiert. Verkäufer bleiben damit allein und scheitern zwangsläufig. Denn gut und intensiv geschulte Vertriebler sind eine weitere Bedingung die Challenger an Sales Teams stellt.
Gerade weil Challenger anspruchsvoll ist, braucht es auch Führungskräfte, die das Konzept selbst durchdrungen haben und glaubwürdig vorleben.
Fazit
Challenger Sales ist ohne Zweifel ein sehr wertvolles und gutes Konzept. Es zeigt, dass Verkäufer mehr sein müssen als Informationslieferanten, nämlich u.a. Impulsgeber und Sparringspartner.
Doch die Risiken sind erheblich, wenn man glaubt, ein Modell allein könne alle Herausforderungen lösen. In einer Welt voller Vielfalt, Komplexität und Veränderung braucht moderner Vertrieb vor allem Flexibilität, Empathie und die Fähigkeit, Methoden intelligent zu kombinieren.
Mein Tipp für dich nach 30-jähriger Erfahrung: Erfolgreiche Verkäufer setzen niemals nur auf eine Methode, sondern entwickeln einen maßgeschneiderten Mix, abhängig von Kunde, Branche und Situation und entsprechend der eigenen Persönliuchkeit. Nur so entsteht Authentizität. Nur so entsteht nachhaltiger (Vertriebs)Erfolg.
Forschung & Gegenstimmen zum Challenger-Ansatz
1. Meta-Analysen zu Erfolgsfaktoren
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Verbeke, Dietz & Verwaal (2010): Vertriebserfolg hängt stark von Anpassungsfähigkeit, Wissen, Engagement und kognitiven Fähigkeiten ab nicht von einer bestimmten Methodik.
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Neuere Meta-Analysen (1980–2019): Erfolgsfaktoren sind multidimensional, kein einzelner Ansatz dominiert.
2. Alternative Treiber für Vertriebserfolg
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Studien zeigen: Talent, Skills und Verkaufseignung wirken stärker als reine Methodik.
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McKinsey (2022): Top-Performer setzen auf Daten, Cross-Functional-Teams und Agilität, nicht nur auf Challenger.
3. Kritische Stimmen zu Challenger Sales
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Korn Ferry: Challenger ist oft eher Taktik als Methode. Ohne Content & Insights bleibt er wirkungslos.
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Kritische Fachartikel: Challenger wird häufig überhöht; klassische Elemente wie Zuhören, Bedürfnisanalyse und individuelle Beratung bleiben entscheidend.
4. Kontextabhängigkeit
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Studien betonen: Die Wirksamkeit hängt stark von Markt, Kultur, Kundentyp und Organisationsstruktur ab.
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Damit wird klar: Challenger kann wertvoll sein, aber nur als Teil eines hybriden Ansatzes.
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