Lebensgefahr im Außendienst

Ich darf nach Amerika, unfassbar.

sales guy in US
Sales Guy travelling ©FOS 2020

Ich liebe die USA, und vieles von dem was sie zu bieten haben. 
Schon als Kind prägte meine Leidenschaft für Filme meine Sympathie für dieses Land, und natürlich auch mein Bild davon. Später waren es die Comic-Kultur der Batmans und Supermans dieser Welt, Fernsehserien wie 77 Sunset Strip, Columbo (ein Meister der Gesprächsstrategien übrigens), Starsky und Hutch oder die Straßen von San Francisco, Bonanza und all das. Seltsam klingelnde Telefone, abstrus lange Autos, Türen mit Drehknopf statt Klinke und knallgelbe Taxis. So oder so ähnlich war mein Bild zu meiner Teenagerzeit.

Ich fliege nach Chicago

Jemals dorthin zu fliegen wäre mir niemals ernsthaft in den Sinn gekommen. In der Welt in der ich aufwuchs war der Gedanke nicht mehr als reine Utopie.
Unfassbar, ich kleines Licht, darf beruflich nach Amerika fliegen. Mit meinem Boss. In der Business Class. Ich war gerade frisch gebackener Vertriebsleiter. Daran hatte ich lange Zeit gearbeitet. Lange habe ich davon geträumt wenigstens einmal auch Vertriebsleiter sein zu dürfen. Klar, das hier war eine Reise zu meinem Kundentermin. Mein Chef begleitete mich deshalb, weil es eben ein sehr wichtiger Termin bei einem sehr großen Kunden war. Dennoch fühlte es sich skurril, ja geradezu surreal an.
Die Utopie wurde Wirklichkeit als ich in  Chicago landete..

Direkt nach der Ankunft machte ich die erste Erfahrung mit der Homeland Security.
Es war rührend deren Bemühungen um Sicherheit zu sehen.
Wem leuchtet es nicht ein, dass sein Gürtel intensiv, 10 Minuten lang von zwei Polizisten, die in meiner Welt wie Filmfiguren aussahen, händisch und millimeterweise untersucht werden muss ? Was vermuteten sie dort bloß? 

First encounter

Als ich zur Passkontrolle kam, was halb ausgezogen und ohne Gürtel aber mit schlecht wieder einsortiertem Handgepäck gar nicht so leicht war, traf ich dort auf eine der typisch martialisch gekleideten und unübersehbar schwer bewaffneten Beamtinnen. Es stimmte also, sie tragen wirklich alle schwere, großkalibrige Colts am Gürtel….
Ich hielt ihr schnell meinen Pass hin und hoffte, dass das den Zeitpunkt meiner Erschiessung zumindest verzögern würde. Sie nahm meinen Reisepass entgegen, auf dem vorne ein großes Wappen und in fetter, goldener und erhaben gestalteter Druckschrift “Europäische
Union. Königreich Spanien” prangen. Ihre erste Frage war etwas wie “citizen of which country ? “. Ja richtig, nicht etwa „where do you come from“, was vielleicht die Frage nach dem Startflughafen meines Fluges gewesen wäre, sondern tatsächlich die Frage nach meiner Staatsangehörigkeit.
Da ich nicht sofort darauf kam wie man “wer lesen kann ist klar im Vorteil” auf Englisch
sagt, antwortete ich plump nur “Spain”. Noch immer in meinem Pass blätternd, auf jeder Seite ein Wasserzeichen des Staatswappens sehend, antwortete sie “Puerto Rico?”.
Ich hätte antworten sollen, “haben wir Anfang des Jahrhunderts leider an Euch verloren“ 
Leider fiel mir das erst viel später ein. Geantwortet habe ich dann “No, Spain”. Als Sie mir mit einem stoischen, wenn auch freundlich gemeinten “Yes, Puerto Rico, nice place.” entgegnete, war ich erst mal sprachlos. Und das passiert mir nun tatsächlich höchst selten.
Ich versuchte es erneut und tippte mit dem Finger auf das goldene “Reino de España”   während ich ihr erklärte, “no, not Puerto Rico, Spain, Europe, 9 hour flight across the Atlantic, you know?”

Sie antwortete „Oh yes, I know Puerto Rico very well, nice place..“

angry sales guy 3
Angry Sales Guy ©FOS 2020

Welcome to the US

Noch einmal setzte ich an, um der Dame klar zu machen, dass sie hier irgendwie etwas verwechselte. Schätze es wurde ihr dann aber inhaltlich zu komplex, denn sie klappte den Pass zu, und schaute plötzlich wieder martialisch, während sie mich erneut eingehend musterte.
Hatte ich jetzt eine bewaffnete Lady, die mich mühelos auch mit einem Fausthieb niederstrecken oder gar verhaften könnte böse gemacht ? Ich sah mich schon in Ketten gelegt mit einem zu großen, orangefarbenen Overall in meine Zelle schlurfen, auf dem Rücken ein Aufdruck wie „Illinois State Correction Center“ oder ähnlich….von Guantanamo wusste man damals zum Glück noch nichts…
Sie nahm plötzlich wieder eine irgendwie militärisch wirkende Körperhaltung an, würdigte mich keinen weiteren Blickes, hielt mir bloß mit ausgestrecktem Arm mein vermeintlich Puerto Ricanisches Ausweispapier hin und grummelte dabei „welcome to the US…“