Einen bestehenden Vertrieb zu verändern ist eine große Aufgabe.
Ich habe in meiner Laufbahn mehrmals Vertriebe aus dem nichts aufgebaut und auch das ist natürlich nicht ganz einfach. Aber in einen bestehenden Vertrieb zu gehen um dort Veränderungen herbeizuführen, die natürlich unter dem Strich Verbesserungen sein sollen, ist eine vielleicht noch spannendere Aufgabe.
Dort findet man Mitarbeiter, die zum Teil lange im Unternehmen sind. Man findet Strukturen und Prozesse vor, die man eventuell zum Leidwesen einiger Mitarbeiter, abschaffen oder ändern muss. Man hat sehr viel mehr Emotionalität seitens der Mitarbeiter und viele andere spannende Facetten. In diesem Artikel kann ich das natürlich nur in einigen Punkten anreißen. Aber schauen wir einfach kurz hinein.
Wann tritt ein Vertrieb in eine solche Phase ein und warum ?
Hier sind wir bereits mitten im Thema. Warum ist in den meisten Fällen klar. Der aktuelle Vertrieb erreicht nicht die Ergebnisse, die dem Senior Management vorschweben. Oft ist es auch bei Wechsel der Gesellschafter oder Übernahmen ein Thema. Vielleicht stagniert er aber einfach seit geraumer Zeit, oder es finden Generationswechsel statt. Neue Produktlinien wurden kreiert, die nicht in die alten Vorgehensweisen passen oder ganz aktuell, große generelle Veränderungen (z.B. Digitalisierung) treten ein und man muss sich dafür rüsten. Es gibt also eine ganze Menge handfester Gründe warum derartige Veränderungen notwendig werden. Wenn eine Geschäftsleitung beschlossen hat einen solchen Änderungsprozess anzustoßen, tauchen die spannenden Fragen erst auf. Einige davon sind:
- Wer ?
- Wann ?
- Wie ?
Der Status Quo
Um Veränderungen zu bewirken, die wirklich effektiv und nachhaltig sind, ist der erste Schritt eine eingehende Analyse des Ist-Standes.
Diese Analyse umfasst tatsächlich alles und vor allem jeden innerhalb der bestehenden Organisation.
- Prozesse
- Workflows
- Kommunikation
- Prospecting
- Pipelining
- long term KPI rückwirkend
- Historie
- Herkunft
- Möglichkeiten
und unzählige weitere Facetten sind hierbei relevant.
Viele Geschäftsleitungen sind bereits an diesem Punkt nicht tief genug im Thema Vertrieb und Verkauf um eine derartige Analyse sachlich und vor allen Dingen fachlich korrekt betreiben zu können. Oft ist der Grund hierfür eine Mischung aus Betriebsblindheit und dem Unterschätzen der notwendigen fachlichen Qualifikation die eine solche Bestandsaufnahme erfordert. Mit anderen Worten, viele Geschäftsleitungen wissen nur, daß sie verändern müssen aber nicht genau was und wie.
Oft wird auch der Fehler gemacht so etwas jemandem zu überlassen, der ebenso wenig Erfahrung darin hat und auch nicht weiss was, wann, wie zu tun ist. Ich selbst habe mehrfach Vertriebe erlebt, in denen nur noch Fragmente eines solchen Prozesses existierten nachdem der damals Verantwortliche längst weg war und ich habe auch erlebt, wie ein solcher Wandel angestoßen und kurz vor der „heißen“ Phase von der Geschäftsleitung rückgängig gemacht wurde.
Warum ? Nun, vielleicht weil ein solcher Prozess tatsächlich auch beinhaltet Schwächen aufzudecken. Schwächen von allen Prozeßbeteiligten….
Aber zurück zum Thema. Manchmal erfordert ein solcher Wandel eine komplett neue Methodik, komplett neue Prozesse, Personalwechsel oder ähnliches. Manchmal reicht aber auch eine Korrektur oder Ergänzung. Meist ist es eine Mischung aus beidem. Diese Einschätzung welche Veränderungen implementiert werden ist natürlich der erste notwendige Schritt für eine erfolgreiche und nachhaltige Veränderung.
Solch ein Wandel sollte erfahrenen Profis, wenn nötig auch externen, anvertraut werden. Erfahrung in sämtlichen Facetten des Vertriebs ist Grundlage für den Erfolg eines solchen Projektes.
Herausforderungen in einer Change Phase
Eine Change Phase im Vertrieb hat mehrere Herausforderungen zeitgleich zu bewältigen. Ich kann hier nur einige nennen:
- Das Senior Management und dessen Sicht, bzw. dessen Implizierung
- Die wirtschaftlichen Ziele, die eine solche Veränderung positiv und nachhaltig beeinflussen soll, aber auch aktuelle. Also Ergebnisrelevanz.
- Das vorhandene Personal und dessen fachliche wie emotionale Basis
- Das Handling und die Umsetzung kurz-, mittel und langfristiger Schritte entsprechend dem zugrunde gelegten Plan.
Es ist also unumgänglich nicht nur für den ersten Schritt der Bestandsaufnahme einen Plan zu entwickeln, sondern auch einen langfristigen für die Phase danach. Dieser beinhaltet nicht nur die Vision des Endergebnisses, sondern auch die Schritte dorthin inklusive der entsprechenden Timelines.
Der Schlüssel – Die Mitarbeiter
Eine der größten Herausforderung bei Change Prozessen im Vertrieb, zugleich aber auch einen Schlüssel zum Erfolg stellen die „alten“ und „erfahrenen“ Mitarbeiter dar.
Das berühmte „…haben wir immer schon so gemacht..“ begegnet einem sicher nirgendwo öfter. In diesem Bereich sieht man sich ebenfalls zeitgleich mehreren Problemen gegenüber, die alle gelöst sein wollen. Da ist der Mitarbeiter, der bewußt bockig ist und nur hofft, auch diese Neuerung werde bald irrelevant, wie alle anderen in den Jahren zuvor. Da ist aber auch der Mitarbeiter, der gerne mitkommen würde auf die Reise, dem aber fachlich nicht standhält. Es gibt den, der den Mißerfolg des Projektes herbeisehnt, so wie den, der an dem was er tut festhält, weil es doch schon die beste Variante ist und doch eigentlich er der Experte ist. Oft gibt es auch die Fraktion, die die Konflikte auf die persönliche Ebene holt und dem Interim, oder neuen Vertriebsleiter versucht dort Macht zu entziehen.
Es ist sehr schwierig, festgefahrene Meinungen und Einstellungen zu verändern. Diese, teilweise Jahre alten Verkrustungen, müssen aber gelöst werden, um möglichst jedes einzelne Mitglied des Teams in die neue Welt mitzunehmen und es dazu in die Lage zu versetzen dort später auch zu performen.
Hier wird der Führungskraft viel Geduld, Geschick und Fingerspitzengefühl abverlangt.
Über all dem steht das Finale Ziel und zeitgleich darf die Performance natürlich nicht noch schlechter werden. Diese Balance zu finden ist das Geheimnis. Komplex wird es, und der Fall ist nicht selten, wenn sogar das Senior Management mit „erzogen“ werden muss.
Leute mitnehmen ist also die Kunst. In normalen Vertrieben ohnehin. In Change Phasen noch viel mehr. Dabei darf ständige Überprüfung, Veränderung, Korrektur und schrittweise Einleitung von neuem niemals aufhören. Für beteiligtes Personal muss Performancegarantie, Coaching und ständige Korrektur stattfinden.
Neuaufbau bereits innerhalb der Change Phase
Recht schnell nach der eingangs erwähnten Bestandsaufnahme wird sichtbar, was mit welcher Priorisierung für die erwünschte Änderung stattfinden muss. Dies muss mit einem Zeitplan hinterlegt werden, der alle bisher in diesem Artikel erwähnten Faktoren beinhaltet und der straff genug sein muss (die hier genannten sind bei weitem nicht alle Themen die beinhaltet sein müssen). Zugleich muss aber Spielraum für Flexibilität und einen gewissen Grad an Improvisation gegeben sein. Auch das Veränderte muss veränderbar bleiben, wenn es sich aus greifbaren Gründen ergibt.
Der Neuaufbau ist ein Prozess in dem Benchmarks gesetzt und Best Practice gewählt und implementiert wird. Diese Best Practices können zum Teil durchaus aus der alten Welt stammen. Die mit all dem verbundenen Entscheidungen sollten mit dem Mittelmanagement, Teamleadern und allen anderen Mitarbeitern, die entsprechend qualifiziert sind abgestimmt sein. Im Optimalfall hat man sie in der Analysephase bereits darauf gecheckt und auf der Management Seite direkt mit eingebunden und mitgenommen. Der Effekt kann groß sein, allein schon weil er oft die Akzeptanz des Neuen bei anderen Teilen der Belegschaft steigert. Heute hört man in ähnlichem Kontext oft das Schlagwort Empowerment. Ganz so weit würde ich hier nicht gehen, jedoch ist die Beteiligung sicher der erste Schritt zu einem Empowerment – Führungsstil nach der Change Phase.
Einige der wichtigen Eckpunkte in einem Change Prozess
- Selbst eine klare Strategie haben, die kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen sowie ein Bild des finalen Zustands enthält
- Das Personal mitnehmen und beteiligen. Niemals einfach von oben herab per Dekret Änderungen einführen.
- Flexibel bleiben und auf Eventualitäten reagieren können
- Ständig überprüfen, testen, gegentesten und in möglichst allen Prozessen Best Practices übernehmen oder ermöglichen
- Die Kommunikation mit anderen Fachabteilung ebenso klar halten, wie mit der eigenen.
- In der Personalführung immer vor Augen haben, dass eine Change Phase eine besondere Situation für das Personal ist.
- Klar und gezielt so kommunizieren, dass jeder es versteht und dass jeder erkennt, welche persönlichen Vorteile auch ihm die Neuerungen bringen
- Gegen Widerstände von „unten“ und „oben“ den Plan bis zum Ende durchziehen und geduldig sein.