Die Angst des Vertriebs vor der Digitalisierung

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Fast 70 Prozent aller Verkäufer denken, dass in naher Zukunft ein Bot, eine Maschine, eine Software oder gar ein Algorithmus ihren Job vollständig übernehmen wird.                 

Wenn sie alle damit beschäftigt wären, Getränkedosen oder verschweißte Sandwiches zu verkaufen, würde ich der Aussage mit der Maschine vielleicht sogar zustimmen. (Und selbst dann müsste es jemanden geben, der die Automaten verkauft – denke ich).
Die Befürchtung vieler meiner Kollegen, durch Maschinen oder Software ersetzt zu werden, zeugt allerdings eher von einem unklaren Verständnis der Bedeutung und des Impacts der Digitalisierung und damit zusammenhängender Elemente auf einen Gesamtprozess im Vertrieb und in letzter Konsequenz von Angst vor diesem, nach wie vor anhaltenden Wandel.

Die andere und meines Erachtens deutlich brisantere Seite eines solchen, unklaren Verständnisses ist, wenn Vertriebsmanager oder gar ganze Unternehmen  das Thema Digitalisierung im Vertrieb vollkommen missinterpretieren und glauben,  IT könnte tatsächlich den Vertrieb vollständig übernehmen.

Wie fokussiere ich das Thema für meinen Vertrieb sinnvoll ?

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Selbstverständlich ist der Vertrieb im Wandel. In einem massiven Wandel sogar.
Die Notwendigkeit der mittelfristigen Vereinigung von Vertrieb und Marketing ist mittlerweile keine Meinung mehr, sondern nicht weniger als eine Notwendigkeit für jedes Unternehmen, das nicht in Kürze feststellen will, dass gezielte und effiziente Akquise und damit Wettbewerbsfähigkeit unmöglich werden, wenn der potentielle Kunde das Unternehmen oder dessen Produktportfolio möglicherweise gar nicht mehr bewusst wahrnimmt.

Wo bislang Synergien zwischen Marketing und Vertrieb herrschen sollten, muss man neuerdings das Augenmerk eher auf eine zielgerichtete Symbiose beider Fachrichtungen legen.

Eine sinnvolle Vertriebsorganisation kommt an der intensiven Nutzung von IT Tools natürlich längst nicht mehr vorbei. Das geht bereits jetzt weit über CRM hinaus. Es geht auch nicht allein um Social Media. Auch Elemente wie Videos oder Datenbanken, Loyalty Communication und vieles andere spielen immer mehr eine Rolle. Ein schwerwiegendes Stichwort im Gesamtkontext ist Big Data. Das Thema wird den Vertrieb noch lange begleiten. Ich werde es in anderen Artikeln noch aufgreifen und dort auch darlegen, warum dieser Begriff im vertrieblichen Zusammenhang meist nicht korrekt ist.
Selbst der Begriff „algorythm-sales“ spukt bereits durch die Weiten des Web, sicher nicht ganz ohne Berechtigung.

Zumeist herrschen heute aber oft tatsächlich noch immer viele grundlegende Fehleinschätzungen, von denen ich einmal drei herausheben möchte:

  1. Digitalisierung bedeute lediglich den Einsatz von IT
  2. Digitalisierung verändere per se alle Prozesse
  3. Digitalisierung mache Menschen im Vertrieb obsolet

Digitalisierung, wenn sie im Unternehmen erfolgreich sein soll, basiert natürlich auf dem Einsatz von IT. Der Einsatz von IT, insbesondere wenn er wie so oft in Form einzelner, voneinander unabhängiger Lösungen stattfindet, reicht allerdings hier bei weitem nicht aus.
Digitalisierung muss mit diesen Tools und mit sämtlichen Prozessen drumherum in einem Gesamtprozess eingebettet sein, der am Ende eine agile, nachhaltige und insbesondere ergebnisrelevante Einheit bildet. Nach wie vor ist die vorangestellte Modellierung eines guten Vertriebsprozesses essentiell. Beinhaltet im Einsatz der IT ist das Generieren, das Verwalten aber insbesondere auch das Nutzen von Information. Welche davon stelle ich in welcher Form meinen Kunden zur Verfügung ? Welche davon nutzt in welcher Form meinem Vertrieb ? In welche Teilprozesse wird welche Information eingespeist ? Das sind nur einige der nahe liegenden Fragen in diesem Gesamtkontext.

Agilität und Geschwindigkeit

Insbesondere Agilität ist bereits jetzt Grundbedingung der Zukunftsberechtigung von Vertrieben wie von Unternehmen, auch bei der Digitalisierung des Vertriebs oder des Unternehmens als solchem. Sie ist nicht nur die Grundlage für die Befriedigung des Kunden, sondern ebenso die Basis für einen Wandel hinein in die vollendete Digitalisierung, der den o.g. Status herstellt.
Einer der Gründe ist, dass sie ständige und sinnvolle Anpassungen und Korrekturen ermöglicht, wenn man es denn zulässt. Aus meinem persönlichen Blickwinkel meint das nicht zwangsläufig Agilität als Konzeption, die schon wieder zu einem komplexen, vermeintlichen Management Aktivitätskonzept oder gar Stil erhoben werden muss, den man lernen müsste, wofür man angebliche „Agilitätsexperten“ bezahlen soll. Sondern eher ein grundlegendes Verhaltensmuster der Vertriebseinheit oder des Unternehmens, insbesondere im Management und dessen Umgang sowohl mit prinzipiellen Konzeptionen (Bsp. Vertriebskonzept) als auch im kleinsten Detail (Befriedigung des Bedarfs des konkreten Kunden X).
Agilität im Umgang und Nutzen der Daten, die die Digitalisierung dem Vertrieb beschert, sollte das Ziel sein. Reaktionsschnelligkeit, Lernwillen, Ausnutzen  vorhandener „Schwarmintelligenz“ und Anpassungsfähigkeit sind nur einige der dazu gehörenden Schlagwörter und zugleich Basisanforderungen an moderne, zukunftsfähige Vertriebe.

In dieser Form müssen Vertriebs- und Managementteams organisiert sein, damit sie die durch Digitalisierung erlangten Informationsvorteile ausnutzen können und irgendwann auch (echte) digitale Unterstützung (z.B. künstliche Intelligenz) sinnvoll und gewinnbringend eingebettet werden kann.

Digitalisierung und Mensch

Es geht im Vertrieb doch um intelligente, die Kundenzufriedenheit aufgrund generierter Daten verbessernde Maßnahmen, nicht um die Implementierung von IT Systemen, oder ? Wie viele Vertriebe haben seit Jahren CRM Systeme, deren Kapazitäten nur zu sehr geringen Prozentsätzen überhaupt genutzt werden ? Oft kennen Vertriebler nicht einmal alle Funktionen und Möglichkeiten ihres CRM Systems. 

Die Verknüpfung zwischen Automatisierung und persönlicher Vertriebsarbeit am Kunden wird erst dann sinnvoll, wenn die Automatisierung darauf ausgerichtet ist, Vertrieblern Informationen bereit zu stellen, mit denen diese dann auch gezielt umgehen können.
Denn Menschen bleiben der Fixpunkt im Vertrieb. Ein CRM zu besitzen hat auch vor 15 Jahren noch keinen sinnvollen Vertrieb gewährleistet.

Keine Social Media Kampagne und auch kein Chatbot wird das komplexe Produkt oder die komplexe Dienstleistung verkaufen. Aber sie können Hilfe bedeuten. Etwa beim Leadmanagement.
Social Media, Landingpages, und alle anderen IT basierten Elemente, werden es nicht sein, die das Vertrauen beim Kunden kreieren, oder gar Empathie entwickeln. Sie haben auch keine sozialen Kompetenzen und hören zu oder nehmen sich eines Kundenproblems an. Sie tun ebensowenig dem Kunden einen Gefallen, wie sie ihm Kulanz gewähren oder einfach nur bei einem Kaffe Smalltalk mit ihm halten. Das und vieles mehr, werden weiterhin nur Menschen tun. IT ist im Vertrieb nur Mittel zum Zweck. Das Helferlein des fähigen Vertrieblers, denn Vertrieb ist und bleibt in letzter Instanz das Generieren von Vertrauen bei Menschen, die einem eigentlich fremd sind.

Also ist der Entscheidende Unterschied und der Faktor für echte Exzellenz im Vertrieb am Ende immer der persönliche Vertrieb – der Mensch.

Menschen wünschen auch im Kaufprozess diesen Kontakt zu anderen Menschen. Das belegen zahlreiche Studien. Das gilt also prinzipiell und bleibt zu beachten.
Natürlich hat der interessierte Kunde 2020 schier endlos Information aus dem Netz gezogen. Er hat sich Zeit genommen und wird wohl auch massiv fündig geworden sein. Möglicherweise hat er bereits ein sehr klares Bild dessen, was er kaufen wird. Das mag sogar sachlich völlig falsch sein, aber dennoch hat er dieses Bild. Für diese Positionierung des Kunden heutzutage hat die Digitalisierung gesorgt.

Die Rolle des Verkäufers in einem automatisierten Vertrieb

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Im Umkehrschluss also, sollte ein Vertrieb die Digitalisierung auf exakt das ausrichten. Der Kunde sollte bei seinen Recherchen natürlich auch auf mein Produkt gestoßen sein. Er sollte, wenn möglich, auch von meiner Company bereits mit nachvollziehbaren, für ihn wertvollen Informationen und Inhalten versorgt sein und er sollte mit mir in ein Gespräch gehen wollen, weil er zumindest vermutet, dass ich ihm bestätigen kann, dass er mit meinem Produkt exakt richtig für seine Bedürfnisse liegt. Ab hier befinden wir uns wieder auf der Ebene Mensch – Mensch. Content Management, wenn gut gemacht, kann uns dort hinbringen. Nämlich auf die Ebene auf der ein fähiger Verkäufer das tut, was er schon immer getan hat. Den Kunden dort abholen, ihm zusätzliche Vorteile aufzeigen, ihm seine Befürchtungen nehmen, ihm weiteren Nutzen aufzeigen, den Abgleich schaffen zwischen den Bedürfnissen die der Kunde glaubt zu haben und tatsächlich hat, etc., etc., etc., –

VERKAUF eben.

Akquise ist 2020 nicht schwieriger als sie es früher war. Sie ist digitaler. Der Kunde hat mit dem Internet zahllose Möglichkeiten mehr, sich vorzubereiten. Ein guter Vertrieb sollte also, rein logischerweise, auch einen digitalen Background haben. Jeder gute Vertrieb muss weiterhin proaktive Kommunikation mit Kunden und potentiellen Kunden betreiben UND sich selbst einen Vorsprung für ein eventuell stattfindendes Verkaufsgespräch erhalten: gut geschulte, motivierte Verkäufer mit vertrieblichem Sachverstand. Dieser Sachverstand bezieht das Wissen um die digitale Positionierung des Kunden und die eigene digitale Positionierung heutzutage unbedingt mit ein. Die Phase Presales, gewinnt mit fortschreitender Digitalisierung an Bedeutung. Dies schmälert aber nicht die Bedeutung der Phase Abschluss, für den Kunde wie Unternehmen nach wie vor auf den Faktor Mensch setzen.

Starke und zukunftsfähige Vertriebe sollten also ohne Wenn und Aber am besten auf zwei Säulen fußen – sinnvolle Nutzung digitaler Kommunikation UND einem qualifizierten Vertriebsteam.

Jede moderne Vertriebsstrategie muss die Veränderungen, die die Digitalisierung bereits jetzt auf Kundenseite gebracht hat, berücksichtigen. Das bezieht sich insbesondere auf die Erfahrungen des Kunden. Die heute viel zitierte Customer Journey hat sich tatsächlich gewandelt. Das Empfinden des Kunden auch. Der Vertrieb muss, insbesondere in der Presales Phase mit Information anders umgehen. Punktueller, gezielter, effizienter. Es ist das, was auch der „aufgeklärte“ Kunde tut. Nur so kann ein Vertrieb seinen Kunden und potentiellen Kunden weiterhin auf Augenhöhe, mit Respekt und Empathie begegnen.

„Customer Success Manager“ oder auch „Customer Experience Management“ liest und begegnet man immer öfter. Eine klare Reflexion dessen, was ich im vorherigen Absatz beschreibe und ein durchaus sinnvoller Ansatz mancher Unternehmen.
Inwieweit hieraus unbedingt eine neue Wissenschaft kreiert werden muss oder ob diese Dinge sowieso einem fähigen Vertrieb immanent sind, lasse ich hier einmal unkommentiert stehen.

Fazit und Ausblick

Die Eingangs meines Artikels erwähnte Angst vor der Digitalisierung, die manche Vertriebler, manche Vertriebe und manche Unternehmen immer noch haben, ist für alle unbegründet, sofern sie sich bald sinnvoll, und das bedeutet ganzheitlich (Hardware, Software, HR, Verkauf, Marketing, Kommunikation, Kundenvorteile, etc.) auf die Chancen der Digitalisierung einlassen. 

Für Vertriebsmitarbeiter, die offen bleiben und sich selbst weiterentwickeln möchten, birgt sie eine Chance zur Entlastung und mehr Erfolg und macht echte Vertriebsexpertise sicher nicht überflüssig.  Old Schools müssen aber das neue annehmen, die jüngeren Generationen das zwischenmenschlich-soziale Element nicht unterschätzen.

Für Unternehmen ist Digitalisierung die Chance mit Kunden auf Augenhöhe zu kommunizieren, sogar regelmäßiger mit Ihnen verbunden zu sein und das auch noch personalisierter.
 
Vertriebseinheiten können agiler sein, schneller, treffsicherer, präziser, erfolgreicher.

Das sind einige Erfolgsfaktoren moderner Unternehmen und Vertriebe 2020 und darüber hinaus.